19 Grauspechte suchten nach mehreren Jahren Pause wieder einmal das 100 ha große NSG auf um die vielfältige Vogelwelt zur Vogelzugzeit zu beobachten.Bei wolkenlosem Himmel aber kühlem, frischem Wind konnten wir die weitläufige Fläche des Rieds gut überblicken.
Der Landschaftsraum wird u.a charakterisiert durch einen großen, naturnahen Auenbereich mit Frisch- und Feuchtwiesen, periodisch trocken fallenden Flutmulden, Röhrichten, und langsam fließenden Bächen. Angrenzende Rastgebiete bestehen aus großräumig intensiv bewirtschafteten Ackerfluren.
Das NSG Bingenheimer Ried zählt zu den besten hessischen Brutgebieten verschiedener Vogelarten. Die Feucht- und Sumpfwiesen bieten gerade Wasser- und Watvögeln gute Bedingungen dafür. Bekassine und Uferschnepfe sind erfreulicherweise wieder zur Brutzeit vereinzelt in den Wiesen zu sehen.
Bereits nach Errichtung der Europäischen Vogelschutzrichtlinie (1979) und der später folgenden FFH-Richtlinie (1992) wurden Schutzmaßnahmen ab 1985 dahin gehend in dem Gebiet ausgerichtet. Wasserregulierung und die Beschränkung landwirtschaftlicher Maßnahmen wurden ständig weiter entwickelt.
So sind in der Aue verschiedenste Vogelarten an zu treffen, u.a. ...Wiesenweihe, Tüpfelralle, Spieß- sowie verschiedene andere Entenarten.Die Löffelente zählt zu den Charaktervögeln des Gebietes. Sie wurde heute nicht gesichtet. Die Spießente brütet seit 1981 wieder hier, die seit 1883 als ausgestorben galt.
Unser begleitender Experte für das NSG, Udo Seum vom NABU Bingenheim,ist seit 40 Jahren in der Pflege des Schutzgebietes engagiert. Als Gebietsbetreuer hat er uns Informationen zur Entstehung des NSG und der artenreichen Vogelwelt aus erster Hand vermittelt.
Singvogelarten wie Rohrschwirl, Schilf- und Drosselrohrsänger sowie Schwarz- und Braunkehlchen waren noch nicht aus ihren Winterquartieren zurück gekommen.
Die letzte bedeutende Schutzmaßnahme war die großflächige Einzäunung des 100 ha großen Areals. Es ist somit das größte eingezäunte Schutzgebiet in Deutschland. Der Zaun schützt vor Füchsen, Waschbären und Wildschweinen. Diese Maßnahme hat wesentlich zur Erhöhung des Bruterfolges der Löffelente beigetragen. Im letzten Jahr wurden über 70 Brutpaare und über 100 Küken gezählt.
Wie bedrohlich die Situation durch Prädatoren ist, wurde uns durch die Größe der aufgestellten Fallen deutlich. Vor Errichtung des Zaunes wurden Füchse und Waschbären in größerer Zahl gefangen. Die Vogeldichte ist für Räuber verständlicherweise verlockend.
Der Kiebitz (vanellus vanellus) ist Focus eines eigenen Schutzprojektes das gegenüber dem Flugplatz Reichelsheim platziert wurde. Hier wurde das Gebiet auch schon früher weiträumig eingezäunt um die Brut vor Prädatoren zu schützen. Nun können die Kiebitze auch auf den Flächen des Rieds ungestört brüten.
Große Gänsescharen, Grau- und vor allem Blässgänse, bevölkerten die Flächen südlich und westlich der Wasserfläche. Graugänse waren schon eifrig in der Balz und konkurrierten mit anderen Artgenossen.
Auf der Brutinsel hatte sich ein Graugänsepaar (anser anser) bereits einen Nistplatz ausgesucht.
Die Blässgänse (anser albifrons) flogen in Trupps von ca 100 Vögeln immer wieder auf und überquerten lautstark das Gebiet. Sie haben ihren Rastplatz am westlichen Ufer der Wasserfläche. Die Raumaufteilung war beeindruckend.
Auch die Nutria (myocastor coypus), auch Bisamratte oder Sumpfbiber genannt, war in einer größeren Anzahl auf den Wiesen unterwegs. Sie unterhöhlen die umliegenden Böschungen und stellen ein zunehmendes Problem dar
Eine große Anzahl an Krickenten war am Schilfgürtel, direkt vor der Beobachtungshütte, emsig bei der Nahrungsaufnahme. Über die noch gefrorene Eisfläche mußten die farbenprächtigen Männchen und farblich schlichteren Weibchen zum offenen Wasser schlittern. Die Ente fällt durch einen grünen Spiegel im Flügel auf.
Sobald sie ihre Nester in Mulden der Ufervegetation gebaut hat, verschwindet die Krickente für die Brutzeit von der Bildfläche. Der Vogel ist tag- und nachtaktiv.
Die Krickente (anas crecca) gehört zur Gattung der Eigentlichen Enten (anas). Sie ist in Europa und Nordamerika die kleinste Entenart. Im Winterhalbjahr ist sie ein häufiger Durchzügler/Teilzieher und Gastvogel, gebietsweise ist sie sogar ein Jahresvogel. In einigen Regionen Deutschlands ist sie allerdings auch gefährdet (BRD RL II). In NRW z.B. ist die Bejagung seit 2015 verboten.
Gründeln ist zur Nahrungsaufnahme unumgänglich. Hier stecken zwei Stockenten (anas platyrhynchos) ihre Köpfchen ins Wasser. Im Flug kommt das Farbspiel der Flügelfedern zur Geltung..
Ein Reiherentenpaar (aythya fuligula), zu den Tauchenten gehörend, war ständig mit abtauchen beschäftigt. Die drollige kleine Ente, mit dem grünen Schimmer im Gefieder, ist immer wieder ein Hingucker. In der Sonnenreflexion leuchtet die Iris der Augen hellgelb.
Selbst auf der dünnen Eisfläche findet sich doch immer etwas Futter.
Ulli Brenner entdeckte einen auffällig glänzenden Käfer. Den Rotbraunen Blattkäfer (chrysolea staphylea) findet man von April bis Oktober auch auf Feuchtwiesen oder im Uferbereich von Gewässern. Die Larven der Art entwickeln sich bevorzugt an Melisse, Basilikum und Minze. Der Käfer wurde 1897 erstmals in Neufundland/Canada nachgewiesen.Inzwischen findet man ihn in der ganzen nördlichen Hemisphäre verbreitet.
In der Nähe des Abflusswehres befindet sich der Stall der Gallowayrinder. Verschiedene Farbvariationen, der aus dem südwestlichen Schottland stammenden Rinderrasse, waren vertreten. Auf dem Foto das White Galloway. Sie beweiden die südlichen Uferwiesen ganzjährig draussen. Nistkästen und Tafeln zu den Singvogelarten sind an der Seitenwand des Stalles informativ angebracht.
Vom angrenzenden Damm aus hat man einen weiten Blick in die Röhrichtflächen. Das Wehr ist zur Regulierung des Wasserstandes ausgebaut worden.Eine spezielle Folie im Durchfluss hält den Laich von Amphibien und Fischen zurück. Das trägt zur Bewahrung der Nahrungsgrundlage in der Wasserfläche bei.
Über der Wasserfläche kreist ein Rotmilan (milvus milvus). Die Sonne ließ seine roten Schwanzfedern intensiv leuchten. Es waren noch mehrere Exemplare in der Luft. Ein Sperber überflog, von Krähen gejagt, das Gelände.
Am Parkplatz hatte ein Weißstorchpaar (ciconia ciconia) schon das Nest bezogen. Udo Seum kannte die Adebars und erklärte, daß sie von einem Nest, weiter westlich gelegen, hierher gezogen seien. Der Standortwechsel ist wohl auf Siedlungsdruck
zurück zu führen.
Wir wären gerne noch länger in diesem abwechslungsreichen Schutzgebiet geblieben, aber die kalten Temperaturen und die verlockende Wärme des Restaurants beendeten den Vormittag.
Im Reichelsheimer Flugplatzrestaurant konnten wir dann die „anderen“ Vogelarten bewundern und dabei Pläne für die nächsten Exkursionen machen.
Quellen:
Fotos: bing.org; F.Morrison, K.Benedickt
Texte: digital-nature.de, wikipedia.org, NABU Bingenheim